"Ich liebe es, Fragen zu stellen. Fragen zu stellen scheint uns zu helfen, mehr über die Welt um uns herum und die Funktionsweise der Dinge zu erfahren, was eine der besten Möglichkeiten ist, unser Leben zu verbessern."
Einer der besten Wege, ein besserer Spurenleser zu werden, besteht darin, einfach Fragen zu stellen.
Wir alle haben vorgefasste Meinungen darüber, was wir zu wissen glauben, aber Fragen zu stellen kann uns in neue Richtungen führen.
Eines meiner Lieblingszitate von Lewis Carroll lautet: "Wenn du nicht weißt, wohin du gehst, führt dich jeder Weg dorthin." Ich sage den Leuten oft, dass sie, wenn sie etwas wirklich verstehen wollen - z. B. das Tracking -, sich ein paar richtige Fragen dazu stellen sollten. Zum Beispiel: Was bedeutet das? Wie kam es zu seiner Entstehung? Warum ist es mir wichtig?
Die Antworten ergeben vielleicht nicht immer sofort einen Sinn, aber manchmal, wenn wir sie am wenigsten erwarten, kommt die Antwort aus dem Nichts und verändert alles für uns!
"Fragen sind auch eine gute Möglichkeit, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, denn sie ermöglichen einen Dialog und eine Diskussion. Wir alle haben unterschiedliche Sichtweisen auf die Dinge, und wenn man Fragen stellt, erhält man nicht nur neue Einblicke in sein eigenes Leben, sondern kann auch die Sichtweise eines anderen in einem neuen Licht sehen."
Das Wichtigste ist, dass wir durch das Stellen echter Fragen Möglichkeiten zur Entdeckung eröffnen."
Fragen wirken direkt auf unsere Wahrnehmung und haben Einfluss auf alles weitere was wir sehen, hören, tasten, riechen und schmecken.
Die sechs W-Fragen (Jon Young)
Ich hörte die sechs W-Fragen zum ersten Mal 2005 bei einem Seminar mit Jon Young, dem Gründer der Wilderness Awareness School und Tom Brown Jr.'s erstem Schüler.
Mit diesen sechs Fragen, so Young, kommt man auf alle Themenbereiche des Fährtenlesens und wird seine Wahrnehmung auf alles richten können was sich in der Umgebung und im Leben des Tieres abspielt.
Diese sechs Fragen wurden für mich zu dem, was fehlte, um alle Tiere aufzuspüren und kennen zu lernen - ein Kompass des Fährtenlesers, der mich auf meiner Reise über diesen wilden Planeten, den ich mein Zuhause nenne, leiten würde.
Es war quasi eine Formel die mich zu dem Tracker machen sollten der ich sein wollte. Ich war begeistert!
1. Welches Tier war es?
Identifikation der Tierspur und der Zeichen um die Tierart zu bestimmen. - Track&Sign
2. Was hat es hier gemacht?
Bestimmung der Gangart des Tieres.
3. Wo ist das Tier jetzt?
Trailing - Das folgen einer Spur bis zum Tier.
4. Wann war das Tier hier?
Trackaging oder Altersbestimmung der Spur. (Also nicht des Tieres)
5. Warum ist das Tier hier?
Ökologische Zusammenhänge verstehen (Was bietet meine Landschaft für das Tier?) - Nahrung, Schutz und alles was das Tier benötigt um in diesem Gelände zu leben.
6. Wie ging es dem Tier?
Empathie, sich in das Tier hineinversetzen.
Als ich die 6W-Fragen in meine Tracker-Routine integriert hatte, stellte ich bald fest, dass sie mich nicht weiterbrachten. Im Gegenteil ich schien mich rückwärts oder im Kreis zu bewegen. (Zu dieser Zeit hatte ich mich schon etwa 5 Jahre intensiv mit dem Fährtenlesen beschäftigt.)
Alle diese Fragen gehen auf eine einzige Prämisse zurück: Welches Tier ist es?
Wenn ich diese Frage nicht weiß oder noch nicht beantworten kann, dann werden die restlichen Fragen von vornherein durch Vermutungen begrenzt und fast ohne jede praktische Anwendung. Plötzlich ging es bei den sechs Fragen nur noch darum, welches Tier es war - wie komme ich nun von der reinen Identifikation weg, wieder hin zum Fährtenlesen?
Ich war frustriert von dieser Herangehensweise, bei der es darum ging, vor dem tracken Antworten für den Erfolg beim Fährtenlesen auswendig zu lernen (Fussmorphologie, Gangarten, Losung, Frassspuren). Ich musste mir also ein Rundum-Wissen anlesen um die erste Frage und somit die nächsten Fragen beantworten zu können. Aber mit welchem Tier und mit welchen Zeichen fange ich an? Und wie kann ich mein Wissen erweitern, wenn ich mir Wissen anlese? Meine Fähigkeiten wären dann stark auf das Wissen aus den Büchern beschränkt.
Das Motto schien hier: Erst lernen, dann rausgehen!
Die sacred questions oder die heiligen Fragen
Ungefähr ein Jahr später wurde ich Schüler von Tom Brown Jr., dort lehrte er mich, Fragen auf eine völlig neue Art und Weise zu stellen, was dazu führte, alles um mich herum und auch mich selbst zu Hinterfragen - und dadurch noch viel mehr Fragen zu stellen! Tom zufolge können die heiligen Fragen nicht gestellt werden, sondern müssen gelebt werden. Dieser Gedanke hatte in mir einen tiefen Widerhall gefunden, denn es schien ein dankbares Ziel zu sein, nach dem ich ständig streben konnte!
Es ging bei Tom nie um die Beantwortung von vorgefertigten Fragen. Es ging nicht einmal wirklich um Antworten, sondern vielmehr darum, dass die wichtigen Fragen gestellt werden - und sich auf diese zu konzentrieren, wenn es schwierig wird.
Fragen wachsen bei dieser Herangehensweise wie Pflanzen und jede Frage bekommt Ableger.
Es gab jetzt überhaupt keine Regeln mehr!
Es war also eher ein Tor zu meiner Wahrnehmung, ein Schlüssel der eine Truhe mit unendlich vielen Fragen aufschloss. Von da an konnten sie wieder sprudeln.
Der Ansatz von Tom Brown war nicht seine Idee, sondern die von Stalking Wolf. Er hatte sein ganzes Leben damit verbracht, alles, was ihm wichtig war, zu lernen und in der Natur zu reinigen - er nannte diesen Ort "den Tempel der Schöpfung"
Stalking Wolf hat in diesem Prozess 2 Fragen herausgefiltert. Die heiligen Fragen, wie er sie nannte - das sind die Art von Fragen, die mich neugierig machen und mich dazu bringen sollen, mehr über das erfahren zu wollen, was um mich herum geschieht!
The sacred Questions - Stalking Wolf-
What happened here? (Was ist hier passiert?)
What is this teaching me? (Was lehrt mich das? Oder, was hat das mit mir zu tun?)
Moment mal, wie soll ich mit diesen beiden Fragen etwas über ein Tier oder über das Fährtenlesen lernen?
Durch Fragen selbst kannst du nichts lernen, lediglich deine Wahrnehmung verändern. Das Lernen kommt danach. -Ralf Greiner- Aus dem Kurs "Pressure Release 1"
An einem Kurs saß ich da und hab in mein Journal geschrieben. Es ging um "Die Kunst des Fragenstellens" und die heilligen Fragen. Heute würde ich so ein Journaleintrag "Blog" nennen. ;-)
Eine Frage kam in mir hoch.
Ich saß also da in Kalifornien auf einem Stück Ast, das vor Monaten heruntergefallen sein muss, und wollte wissen, was darunter lebte. Ich schaute nach.
Zu meinem Erstaunen tauchte unter dem Ast dieser fette Skorpion mit seinem Rücken voller Jungtiere quasi direkt unter meinem Hintern auf!
Die sacred Questions haben mich dazu gebracht ganz andere, neue Fragen zu stellen. Fragen, für die ich nicht erst einTrittsiegel benötige.
Dieses Erlebnis brachte mich dann dazu, alles über diese Kreaturen zu recherchieren.
Durch den zweiten Teil der heiligen Fragen (Was hat das mit mir zu tun?) kamen mir die Fragen: "Möchte ich Gesellschaft?"
"Machen Tiere auch Phasen wie Angst durch?"
"Wie schützen Tiere ihre Eier, ohne versehentlich etwas zu töten, und wie können sie sich trotzdem selbst schützen?"
"Möchte ich Kinder haben?" Und noch viele weitere Fragen sprudelten.
Wie gesagt, die Truhe war geöffnet.
Mir wurde eines plötzlich klar: Es ist nicht so wichtig, alle Fragen zu finden und zu stellen, aber es ist entscheidend, dass ich mich selbst den wirklich wichtigen Fragen stelle!
Hier ist der springende Punkt. Das lernen und die Bücher kommen erst wenn ich etwas entdeckt habe. Nun weiß ich erstmal noch nicht was ich entdecken werde und auch nicht wie groß diese Entdeckung sein kann.
Ich bin plötzlich offener für neue Ideen, Gedanken und Funde, da ich nicht weiß, was auf mich wartet. Es ist, als wäre ich in einem Fischglas, ohne zu wissen, wie groß die Idee ist, die außerhalb dieser kleinen Welt auf mich wartet, in der alle meine Fragen unbeantwortet bleiben können, bis sie später durch die Recherche zu Hause, in den Büchern beantwortet werden.
Diese Art der Fragen war genau das, was mir geholfen hatte, Antworten von mir selbst zu bekommen und aus eigenen vergangenen Fehlern zu lernen.
Nun war mein Motto: Erst rausgehen, dann lernen!
Die sacred questions bringen dich in unbekannte Ecken und zeigen dir Plätze ausserhalb deiner Komfortzone. Das kann schwierig sein, aber es ist notwendig für Wachstum und Entwicklung jeglicher Art - intellektuell oder kreativ. Wenn die Welt angesichts der vielen Möglichkeiten um uns herum zu groß erscheint, haben wir alle unsere eigenen persönlichen Grenzen, die uns dabei helfen, zu definieren, wer wir sind, und uns vor Schaden zu bewahren. Mit den richtigen Fragen können wir die Grenzen sprengen, einen Blick wagen, auf das große Geheimnis das uns täglich umgibt.
Die Fragen, die wir stellen, haben einen direkten Einfluss auf unsere Wahrnehmung als Fährtenleser.
Welche Fragen stellst du dir, bevor du den Wald betrittst?
Was willst du finden, und was würde deinen Tag erfolgreich machen? Wie würdest du feststellen ob du erfolgreich warst? Bist du auf der Suche nach einem bestimmten Tier oder einer bestimmten Pflanze, Knochen, Schädel, Federn oder willst du nur die Schönheit der Natur erkunden?
Warum Fährtenlesen?
Dies sind einige der wichtigen Fragen, denen wir uns als Fährtenleser stellen müssen. Unsere Wahrnehmung wird direkt von unserer Einstellung und der Art und Weise beeinflusst, wie wir an die Fragen herangehen. Beim Fährtenlesen geht es nicht darum, wer Recht oder Unrecht hat, sondern darum, das Verhalten der Wildtiere zu verstehen und eine Beziehung aufzubauen zu allem was um uns herum ist.
Wenn du dir auch solche Fragen stellst, dann hast du in diesem Blogbeitrag hoffentlich etwas gefunden das dir weiterhilft! Ich hoffe, dass er dir einen Einblick gibt, wie du deine Erfahrungen mit der Natur verbessern und deine Chancen erhöhen kannst, etwas Neues zu finden.
Was sind deine wichtigsten Fragen? Du kannst gerne einen Kommentar hinterlassen. Die Kunst, Fragen zu stellen, ist das, was uns nach außen hin antreibt, und es ist an der Zeit, dass wir diese Neugier wieder in unser Leben bringen! In diesem Blogbeitrag habe ich über zwei verschiedene Ansätze gesprochen, mit denen du das Fragen in dein Leben zurückholen kannst - und diese sind nicht nur für Spurenleser geeignet.
Egal, ob du ein lebenslanger Lernender bist oder jemand, der sein ganzes Leben lang in derselben Stadt gelebt hat, jeder von uns sollte mehr Fragen stellen. Wenn du etwas auf dem Herzen hast - sei es eine unbeantwortete Frage von vor Jahren oder etwas Neues, das heute passiert ist - frage dich: "Warum?" Fragen dich so lange, bis die Antworten dich finden.
Vielen Dank für deine Zeit beim lesen.
Stay on Track
Dein Ralf
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